Geburtsberichte von Eltern

Komplettes Vertrauen

Eine Alternative

Schon als wir beschlossen, ab jetzt auf Verhütung zu pfeifen, hatte ich im Internet nach einem Geburtshaus Ausschau gehalten. Die Vorstellung einer Alternative, sozusagen zwischen Krankenhaus und Hausgeburt, hatte uns sofort gefallen, als Freunde uns von der Geburt ihres ersten Kindes erzählten. In Wahrheit war die Entscheidung für eine Geburt im Geburtshaus irgendwie schon gefallen, bevor wir auch nur einen Fuß dorthin gesetzt hatten.

Der erste Besuch

Beim ersten Besuch hat mir im Geburtshaus Marburg die Atmosphäre sofort gefallen. An meinen ersten Termin kann ich mich noch gut erinnern. Es war mir fast unangenehm „so ganz ohne Bauch“ anzukommen und Fragen über Schwangerschaft und Geburt zu stellen. Aber das Gespräch hat mir dann einfach nur gut getan. Die Hebamme hat sich viel Zeit genommen, mir alles gezeigt, erklärt und mir das Gefühl gegeben, dass gerade meine Schwangerschaft besonders ist.

Vorsorge

Zu den Vorsorgeterminen war ich dann immer im Geburtshaus. Nur für die drei Ultraschalltermine bei meiner Gynäkologin. So konnte ich die Hebammen gut kennen lernen, die die Geburt unseres Kindes begleiten würden. Die größten Vorteile gegenüber Vorsorgeterminen beim Gynäkologen haben für mich aber darin bestanden, dass ich kaum mal ein paar Minuten warten musste, jedes Mal ausgiebig Zeit war und die Termine ein Gespräch, keine „Untersuchung“ waren, wenn natürlich auch untersucht wurde. Ich durfte und konnte alles ansprechen und Linus ist wann immer er konnte, gerne zu den Terminen mitgekommen.

Die ersten drei Monate

Für mich waren die ersten drei Monate der Schwangerschaft schwierig. Mir war ständig übel und außer an der frischen Luft und in Bewegung war ich immer sehr kaputt. Wann irgendwie möglich, habe ich geschlafen, zu allen Tageszeiten und nachts, also ab 21 Uhr abends sowieso. Hinzu kam, dass das erwartete Hochgefühl „schwanger zu sein“ ausblieb. Ich mochte eigentlich gar keinem erzählen, dass wir ein Baby bekommen würden, hatte das Gefühl, dass es in dieser Sache im Moment nichts Schönes zu berichten gäbe.

So wussten in den ersten drei Monaten nur mein Partner, meine Frauenärztin und die Hebammen im Geburtshaus von der Schwangerschaft. Im Nachhinein war die Betreuung im Geburtshaus in dieser ersten Zeit vielleicht am wertvollsten für mich. Ich kann mich noch gut erinnern, wie ich bei einem Termin auf die Frage, wie es mir denn ginge, in Tränen ausbrach, mitten im Flur. Und wie gut es mir nach dem Gespräch mit der Hebamme dann ging. Sehr geholfen hat mir auch die Akupunktur, die meine ständige Übelkeit sehr gelindert hat.

Schöne Herztöne

Nach den ersten drei Monaten war es wunderbar schwanger zu sein, daran konnten auch wehe Beine, die zunehmende Schwerfälligkeit und andere Unbequemlichkeiten nichts ändern. In dieser Zeit tat es gut, wie sich die Hebammen ehrlich über „schöne Herztöne“ des Babys freuten, wir gemeinsam am Eisengehalt meines Blutes „arbeiteten“ und überhaupt, die Termine im Geburtshaus Gelegenheiten waren, sich Zeit für die Schwangerschaft zu nehmen.

Für einen Geburtsvorbereitungskurs hätte mein Partner sich nur schwer Zeit nehmen können, und  hatte auch keine rechte Lust einen zu besuchen. Deshalb habe ich mich für einen Frauenkurs angemeldet.

Lernen von den anderen

Eine Hebamme bot gerade ihren ersten Vormittagskurs „Geburtsvorbereitung durch Yoga“ an. Für die Mehrzahl der Frauen im Kurs war es nicht die erste Schwangerschaft und mir gefiel es, dass dadurch Themen angesprochen wurden, die mir als „Erstling“ gar nicht in den Sinn gekommen wären. Manchmal habe ich schon gedacht, oh, ob ich jetzt auch vorbereitet genug bin… weil natürlich nicht im selben Maße „Theorie“ vermittelt werden konnte wie in den anderen Kursen; wir durften ja auch Yoga machen. Im Nachhinein habe ich für die Geburt aber alles gewusst, was ich wissen musste. Für mich als sehr kopfbetonten Menschen war es, denke ich, auch eine wichtige Erfahrung zu realisieren, dass die Geburt unseres ersten Kindes ein Erlebnis war, auf das ich mich am besten vorbereitet habe, indem ich an meiner Einstellung/Haltung gearbeitet und nicht, indem ich mir Wissen darüber angeeignet habe.

Wehen im Auto

Mitten in der Nacht setzten die Wehen ein (und ich wusste gleich ganz untheoretisch, dass die jetzt aber ernst zu nehmen sind!). Nach ein paar Stunden haben wir die Hebamme angerufen, die riet, zu Hause noch mal in die Badewanne zu steigen, bevor wir uns auf den Weg machen würden. Im Auto zum Geburtshaus habe ich meinen Partner dann ernsthaft nervös gemacht, indem ich durchs Auto gekrochen und alle naselang „anhalten, anhalten“ gerufen habe, wenn eine Wehe sehr intensiv wurde.

Einmal habe ich nach längerem Halten lautstark auf die „Scheißampeln“ geflucht und Linus, ganz verwirrt: „ich dachte, du wolltest, dass wir stehen bleiben“. Bei unserer Ankunft war der Muttermund dann schon ein gutes Stück geweitet und alle drei Minuten kam eine Wehe angerollt. Die Stunden die dann folgten waren anstrengend, auch schwer.

Die Geburt

Im Nachhinein fällt es aber schwer, sie so zu bezeichnen, weil die Erinnerung so von der Geburt selbst verklärt ist.
Die Hebamme war die ganze Zeit über bei uns, hat sich beobachtend im Hintergrund gehalten oder auch mal etwas außerhalb des Geburtsraumes erledigt, war aber immer sofort präsent, wenn wir sie brauchten und hat z.B. mit mir gemeinsam Wehen veratmet, mir und auch Linus geholfen gute Positionen zu finden, dafür gesorgt, es mir so angenehm wie möglich zu machen (auch als ich zum x-ten Mal in die Wanne und wieder raus gestiegen bin) und natürlich immer wieder geprüft, wie es dem Baby geht.

Kompetente Hände

Die zweite Hebamme kam für den letzten Teil der Geburt dazu, den die beiden dann Hand in Hand begleitet haben. Ich erinnere mich an die Tatsache, dass ich das Gefühl hatte in ganz kompetenten Händen zu sein. Ich konnte ihnen komplett vertrauen und ganz bei mir sein. Unsere Tochter hat lange gebraucht, um mein Becken zu passieren und zwischenzeitlich stand die Möglichkeit im Raum, in die Klinik fahren zu müssen.

Merkwürdigerweise habe ich dies einfach zur Kenntnis genommen, es hat mich aber überhaupt nicht beunruhigt. Ich fühlte mich unter der Betreuung der beiden Hebammen einfach komplett sicher. Es war ganz klar, wenn es nötig sein sollte, werden die beiden es wissen und wir fahren in die Klinik, und dann ist das auch das Beste. Die beiden Hebammen haben es aber durch ihre Unterstützung, z.B. die Anleitung zu verschiedenen Gebärpositionen ermöglicht, dass unsere Tochter auf natürlichem Wege geboren werden konnte. Danke!
Am Nachmittag, zwölf Stunden nachdem mich eine Wehe geweckt hatte, lag unsere Tochter in meinem Arm. Wir waren selig.

Nach der Geburt

Nach der Geburt durften wir drei erst einmal in der wunderbaren Atmosphäre des Ereignisses für uns sein. In Ruhe und Gemütlichkeit zu dritt. Zwei staunend. Später haben sich die Hebammen um die Geburt der Plazenta gekümmert und sich der Versorgung der Nabelschnur, dem Betrachten unserer Tochter und anderem nötigen gewidmet.

Während alledem musste keiner von uns dreien auch nur ein einziges Mal das Bett verlassen. Später hat die Hebamme unsere Tochter sogar im Bett für die Fahrt nach Hause angezogen. Die Atmosphäre war einfach wunderbar. Am frühen Abend sind wir dann nach Hause aufgebrochen, lagen später mit einem schlafenden Säugling im eigenen Bett und alles war gut.

Jennifer