Geburtsberichte von Eltern

Mein persönlicher Weg ins Marburger Geburtshaus

Späte Entscheidung

Eine Geburt im Marburger Geburtshaus: Diese Entscheidung fiel, anders als bei vielen anderen Paaren, in unserem Fall erst sehr spät, ganz am Ende meiner ersten Schwangerschaft. An der Universität Heidelberg als Wissenschaftliche Assistentin beschäftigt, war ich erst Ende August – gut fünf Wochen vor dem errechneten Geburtstermin – in den Mutterschutz gegangen und hatte meine Heidelberger Wohnung aufgelöst. Mit dem Wohnortswechsel war auch ein Wechsel der betreuenden Frauenärztin notwendig geworden. Unsere Gedanken konzentrierten sich erst jetzt auf die bevorstehende Geburt.

Große Unterschiede

Die verschiedenen Möglichkeiten, unser Kind zur Welt zu bringen, hatten Georg, mein Mann, und ich uns schon einige Zeit zuvor angesehen – das Wehrdaer Diakonissenkrankenhaus und die Universitäts-Frauenklinik an Informationsabenden, das Geburtshaus an einem der «offenen Freitage».

Der Kontrast hätte für mein Empfinden nicht größer sein können. Die beiden Kliniken warben in ihren Vortragsveranstaltungen vor allem mit der sicheren und möglichst schmerzfreien Entbindung: In Wehrda nahm die Periduralanästhesie (PDA) breitesten Raum ein; in der Frauenklinik räumten der anwesende Arzt und eine Hebamme auf Nachfrage ein, daß dort etwa die Ablösung der Plazenta durch Medikamentengabe beschleunigt wird, „um den Frauen einen raschen Abschluß der Geburt zu erleichtern“.

Die natürliche Geburt

Im Geburtshaus war der zentrale Gedanke die natürliche Geburt, die die Frau mit Hilfe ihres Partners und der beiden Hebammen aus eigener Kraft, ohne den routinemäßigen Einsatz von Medikamenten und operative Eingriffe, bewältigen kann. Über die möglichen Gründe und Modalitäten einer Verlegung unter der Geburt wurden wir ruhig und sachlich informiert. Dieser Grundgedanke, dazu die warme, familiäre Atmosphäre des Geburtshauses sprachen uns sofort an.

Für die Vorsorgeuntersuchungen ging ich seither im Wechsel zur Frauenärztin und ins Geburtshaus, wo ich vom ersten Mal an den Vorzug genoß, von den Hebammen ohne die Wartezeiten einer Praxis, individuell, einfühlsam und mit viel Zeit für alle meine Fragen betreut zu werden.

Probleme in der Schwangerschaft

Wenn wir für die Entscheidung, mit unserem Kind ins Geburtshaus zu gehen, länger als andere Paare brauchten, so lag dies vor allem an meinen Schwangerschaftsproblemen. Schon ab der Mitte dieser ersten Schwangerschaft ergaben die Blutdruckmessungen in der Frauenarztpraxis teilweise astronomische Werte; starke Ödeme und Krampfadern kamen hinzu. Die Frauenarztpraxis verließ ich immer verunsicherter: Daß die hohen Blutdruckwerte, die bei eigenen Messungen zu Hause nie auftraten, auch psychologische Ursachen haben konnten, wurde dort nie in Betracht gezogen, die Entscheidung dafür, im Geburtshaus zu gebären, als fahrlässige Gefährdung des Kindes hingestellt und rigoros abgelehnt.

Ich fühle mich ernst genommen.

Im Geburtshaus selbst erlebte ich demgegenüber, wie alle meine Schwangerschaftsbeschwerden überaus ernst genommen, aber ruhig und sachlich angegangen wurden. Die dort angebotenen Behandlungsmethoden, vor allem die Akupunktur, linderten sie merklich und führten sogar zu einem Rückgang der Wassereinlagerungen. Zu keinem Zeitpunkt fühlte ich mich von den Hebammen zu einer raschen Entscheidung für das Geburtshaus gedrängt: Ich durfte und konnte sie überzeugt wenige Tage vor der Geburt treffen.

Die Geburt

Lukas kam am 4. Oktober 2003, zwei Tage nach dem errechneten Termin, vergleichsweise schnell zur Welt. Die ersten Stunden im Geburtshaus gingen gut voran. Ich konnte die Wehen in der Geburtswanne gut veratmen und wusste dabei Margot, die den ersten Hebammendienst hatte, und meinen Mann in meiner Nähe. Vor der Austreibungsphase stellte sich heraus, daß Lukas nicht im richtigen Winkel vor dem Geburtskanal lag: Für einen Moment stand die Notwendigkeit einer Klinikverlegung im Raum.

Daß es Margot und Birgit, die den zweiten Hebammendienst hatte, durch Seitenlagerung gelang, das Kind in die richtige Position zu bringen, hat uns eine Verlegung und womöglich einen Kaiserschnitt erspart. Mit derselben Ruhe und Routine brachten die Hebammen auch die starken Nachblutungen zum Stillstand, die sich nach der Geburt eingestellt hatten, und am Abend konnte ich mit Georg und unserem Sohn nach Hause fahren. Birgit stand uns in der Wochenbettzeit mit Rat und praktischer Hilfe so zur Seite, daß sich unser neuer Alltag mit unserem Baby binnen kürzester Zeit einspielte.

…und die zweite Geburt

Nach allen meinen positiven Erfahrungen während der ersten Schwangerschaft und Geburt stand während meiner zweiten Schwangerschaft mit Philipp Kilian für uns von Anfang an fest, daß auch dieses Kind im Geburtshaus zur Welt kommen soll. Vorsorgeuntersuchungen bei einer neuen Frauenärztin, die Geburtshaus-Entbindungen sehr positiv gegenüberstand, und im Geburtshaus wechselten sich wiederum ab. All dies ließ mich mit sehr viel größerer Gelassenheit und einer Selbstsicherheit durch diese Schwangerschaft gehen, wie ich sie mir auch für die erste gewünscht hätte, und zu meiner Freude blieben die einmal durchlebten Schwangerschaftsprobleme diesmal ganz aus.

Individuelle Betreuung

Die individuelle Betreuung durch die Hebammen rundeten ein Geburtsvorbereitungskurs im Wasser und die Geburtsvorbereitung für Mehrgebärende ab. Zwei Tage vor dem errechneten Geburtstermin fuhren wir ins Geburtshaus, als die Wehen im Abstand von vier Minuten kamen, mussten aber erleben, daß unser zweites Kind seinen eigenen Kopf hatte und die Wehentätigkeit wieder zum Erliegen kam: eine unerwartete Situation, in der die Aufmunterung und Unterstützung der Hebammen uns half, zu Hause geduldig darauf zu warten, daß es weiterging. Philipp kam wenige Tage später am 4. Oktober 2005 – exakt demselben Tag, an dem zwei Jahre zuvor schon sein älterer Bruder geboren worden war – im Geburtshaus zur Welt.

Die rasche Geburt erlebte ich als Spiegelbild der ganzen zweiten Schwangerschaft, im Vertrauen darauf, mein Kind aus eigener Kraft gebären zu können, mit der Unterstützung meines Mannes und in den entscheidenden Momenten sicher durch die beiden Hebammen – diesmal Melani und Birgit – geleitet. Diese einmaligen positiven Erfahrungen machen uns um so dankbarer dafür, diesen idealen Geburtsort für uns und unsere Kinder gefunden und gewählt zu haben – eine Entscheidung, die wir jederzeit wieder treffen würden.

Heike N.