Geburtsberichte von Eltern
Bericht von Dana – Hebamme im 3. Ausbildungsjahr
01:15 in der Nacht
Es ist 01:15 in der Nacht. Mein Telefon klingelt. Am anderen Ende eine freundliche Stimme: „Dana, Maria ist jetzt im Geburtshaus. Sie hat Wehen und einen guten Befund. Kommst du?“
Welch‘ Frage…natürlich komme ich. Meine zweite Geburt im Geburtshaus: Ich bin ganz aufgeregt. Schnell steige ich in meine Sachen und fahre los. Die Straßen sind leer, alles ist ruhig und dunkel. Nur im Geburtshaus brennt das Licht als ich dort ankomme. Ich höre mein Herz schlagen
Ungewohnt
Oben angekommen, öffnet mir die Hebamme die Tür. Sie lächelt, begrüßt mich und berichtet mir in Ruhe vom aktuellen Geburtsverlauf. Im Geburtszimmer angekommen, begrüße ich das mir schon bekannte Paar und mache mir ein Bild von der Situation. Alles fühlt sich für mich so anders an, so ungewohnt. In meinen zwei Jahren Ausbildung in der Klinik habe ich schon viele Geburten begleitet, schöne und dramatische.
Ich fühle mich wohl
Noch nie habe ich mich unter der Geburt eines Kindes so wohl gefühlt. Ein prägnanter Unterschied ist die Beziehung zum Paar, speziell zu der entbindenden Frau. Bei Vorsorgeterminen im Geburtshaus hatte ich bereits die Möglichkeit ein wenig Beziehung aufzubauen und mit dem Paar ins Gespräch zu kommen. Auch für das Paar bin ich keine völlig fremde Person, die dort gerade in ihr intimes Geburtserlebnis hineinplatzt. Im Geburtsraum brennen Kerzen, das Licht ist gedimmt, im Hintergrund läuft Musik.
Kein Platz für Hektik
Maria sitzt in der Geburtswanne. Dort fällt es ihr leichter die Wehen zu veratmen und immer wieder die Position zu verändern. In den Wehenpausen unterhalten wir uns ganz in Ruhe über die diversen Themen. Unter den Wehen sind wir alle still und lassen Maria arbeiten und sich konzentrieren. Da sitzen nun der Partner, die Hebamme und ich als Schülerin um die Wanne herum, schweigen, beobachten, staunen und unterstützen Maria bei der Atmung, wenn nötig. Der Raum ist gefüllt mit Gelassenheit. Es ist kein Platz für Hektik. Alles verläuft regelrecht. Es geht voran, alle Beteiligten voll Erwartung auf das Kind.
Herztöne
An Stelle von dauerhafter CTG-Kontrolle unter der Geburt darf Maria sich frei bewegen, immer so wie es für sie am besten ist und erträglich. Gelegentlich überprüfen wir die Herztöne des Kindes, nur ganz kurz, es geht ihm gut. Alle sind beruhigt…es kann weitergehen. Um Maria berichten zu können, wie weit der Muttermund schon geöffnet ist und wie lange es noch dauern kann, wird regelmäßig vaginal untersucht, wieder nur ganz kurz.
Jetzt kommt das Kind
Die Fruchtblase ist gesprungen, der Muttermund vollständig eröffnet, der Weg ist frei. Unter Anleitung der Hebamme darf Maria nun mitschieben. Der Druck nach unten nimmt zu, wird fast unerträglich. Es gibt nur noch den einen Weg. Alle fiebern mit, halten die Hand, atmen mit, hecheln. Ein gemeinsamer Kampf wird erfolgreich zu Ende gekämpft. Und am Ende steht das Wunder des neugeborenen Lebens. Der Kopf ist geboren. Wir lassen ihm Zeit. Keine Eile den Körper sofort zu entwickeln. Der Kopf dreht sich. Die letzte Wehe kommt und lässt den Körper folgen. Wahnsinn, es ist geschafft. Ein neuer Erdenbürger erblickt das Licht der Welt, ganz langsam und in Ruhe.
Welch‘ ein Wunder
Für das Paar erscheint alles noch sehr unglaubwürdig. Wir vergewissern uns schnell, dass es allen gut geht und beim Kind alles in Ordnung ist. Wir verlassen den Raum. Die kleine Familie soll sich erstmal in Frieden und Ruhe kurz kennenlernen können. Für das Abnabeln und die Plazentaperiode ist später noch genug Zeit. Es ist überhaupt für alles genug Zeit. Das Zeitmanagement ist neben vielen anderen Dingen ein weiterer großer Unterschied zur Klinikgeburt. Es ist wichtig dem Paar zu vermitteln, dass für alles genug Zeit da ist, sich niemand hetzen muss und wir von Anfang bis zum Ende bei ihnen bleiben werden.
Das gibt der Frau Sicherheit, die Möglichkeit ganz in Ruhe zu gebären und den Geburtsverlauf ganz natürlich verlaufen zu lassen. Niemand kommt plötzlich rein, entscheidet Dinge über ihren Kopf hinweg oder verbreitet Hektik. Auf dem Gang ist alles still und draußen tiefe Nacht. Welch‘ Wunder ist gerade geschehen. Es liegt noch ganz klein und erschrocken auf Marias Brust…wir durften mit dabei sein, begleiten und unterstützen. Mitten in der Nacht und niemand hat es bemerkt.