Geburtsberichte von Eltern
Aus Wehen werden Wellen.
Bauchgeburt beim ersten Kind
Mein erstes Kind kam im Krankenhaus per Bauchgeburt auf die Welt. Ich erlebte es als Trauma und bekam den Gedanken ‚Ich kann das nicht, gebären.‘ 36 Stunden lang hatte ich zuvor eine natürliche Geburt versucht.
Für mich war klar: Beim zweiten Kind muss sich für mich was ändern. Beim Kennenlerngespräch im Geburtshaus Marburg sagte mir die Hebamme: ‚Deine einzige Aufgabe ist es jetzt, dich zu freuen, dass es geklappt hat.‘ Ich soll alle Sorgen gerade mal zur Seite schieben. ‚Schöne Brütezeit‘, wünschte sie mir dann. Sie machte mir Mut, dass eine natürliche Geburt nach einem Kaiserschnitt möglich ist. Dass die Frauen dann hier voller Stolz und erhobener Brust mit ihrem Baby im Arm herausspazieren. Das stellte ich mir vor. Das wollte ich auch. Doch nichts war sicher. Denn Geburt ist Geburt. Und die ist nicht planbar.
Wellen
Aber ich arbeitete daran. Ich wollte besser vorbereitet sein auf diese Geburt. Ich machte einen Kurs zur mentalen Geburtsvorbereitung, lernte meine Schwangerschaft als was Schönes zu erleben. Das mit Schmerzen assoziierte Wort ‚Wehen‘ wurde zu ‚Wellen‘. Tagsüber machte ich Hypnosen zur Geburtsvorbereitung, abends redeten und redeten mein Mann und ich, wie wir uns die Geburt wünschten, oder übten Atemtechniken und Light-Touch-Massage. Und ich fing an zu basteln. Ich malte mir Affirmationskarten. Ich gestaltete eine Geburtskerze, die am Tag der Geburt unseres Kindes leuchten sollte. Ich stellte mir meine Traumgeburt vor. Wieder und wieder.
Aufgefangen von den Hebammen
Immer wieder lugten die Ängste um die Ecke. Wenn die Frauenärztin sagte, das Kind wird wohl ein großes werden. Wenn ich mir wieder Gedanken machte, wie das denn dieses Mal passen sollte mit Becken und verkürzten Muskeln. Die Hebammen im Geburtshaus fingen mich jedes Mal auf. Ich führte schöne Gespräche mit ihnen. Ich ließ mich von ihnen massieren, um Becken und Muskeln zu entspannen. Eine Hebamme brachte mir Nordic Walking bei und ich ging täglich mit den Stöcken meine Runde. Ich stellte meine Ernährung zuckerfrei nach Louwen um. Mit einer Hebamme scherzten wir: Nach der Geburt hier im Geburtshaus werden wir Eis essen gehen. Ich liebte diese Zeit im Geburtshaus. Sie war so besonders. Familiär. Hoffnungsvoll.
Als ich eines Sonntags um vier Uhr morgens zwar ohne Wellen aufwachte, wusste ich dennoch, in der nächsten Nacht wird es sein. Unser Baby wird kommen.
Voller Vorfreude
An diesem Tag dachte ich nicht mehr an meine Ängste. An diesem Tag war ich voller Vorfreude. Die Oma kam. Kind eins war versorgt. Und mit meinem Mann ging es auf Feldrunde, um die wenigen Wellen, die ich tatsächlich bekommen hatte, auszubauen. Am Nachmittag waren alle Wellen verflogen. Dann wird es wohl doch nichts, heute. Latenzphase eben, dachte ich. Also tanzte ich zu Musik durchs Wohnzimmer und fing an so Dinge zu machen wie Küchenfronten abzuwischen. Um 21 Uhr, unser erstes Kind lag gerade im Bett, wollte auch ich schlafen gehen. Ich war müde. Ich wollte mich ausruhen für das, was bald kommen mochte. Da fingen die Wellen wieder an. Kräftig waren sie. Zwei Stunden lang versuchte mein Mann mich in den Schlaf zu massieren und zu kraulen. Bevor er selbst übermüdet einschlief. Schlafen konnte ich dagegen wirklich nicht. Manchmal döste ich etwas. Ich dachte mir immer wieder ‚Loslassen. Öffnen. Öffnen. Öffnen. Jaa.‘ Und versuchte mir den sich öffnenden Muttermund vorzustellen.
In der Badewanne
Einmal döste ich so vor mich hin, da erwischte mich eine so kräftige Welle, dass meine Oberschenkel stark zu zittern anfingen. Von da an Zittern bei jeder Welle. Ich machte meinen Mann wach. Er sollte die Hebamme der Rufbereitschaft anrufen und um Rat fragen. 1 Uhr nachts. Ich hatte keine Lust da schon ins Geburtshaus zu fahren. Also erstmal in die Badewanne. Mein Mann streichelte mich oder ließ warmes Wasser über mich fließen. Ich hörte Hypnosen zur Entspannung. Nach etwa zwei
Stunden hatte ich keine Lust mehr auf Wanne. Also ab ins Bett. Papa schlief wieder ein und ich konnte ab da nicht mehr liegen.
Die nächsten zwei Stunden machte ich also weiter. Bei jeder Welle hielt ich mich nun stehend am Babybett fest, das schon erwartungsvoll dort stand. Ab da tönte ich laut durch die Wohnung. Einmal verspürte ich einen leichten Pressdrang und merkte, ich brauche jemanden an meiner Seite.
Er Kopf, ich Körper
Also machte ich meinen Mann wach und er machte die Schritte, die wir vorher so oft besprochen hatten. Er rief im Geburtshaus an. Er packte die Tasche fertig. Er sagte der Oma wegen Betreuung Bescheid. Er fuhr das Auto vor. Ich wollte über nichts nachdenken müssen. Er Kopf. Ich Körper. Ich wollte nur gebären. Eine halbe Stunde Autofahrt.
Meine Fruchtblase ging auf dem Parkplatz des Geburtshauses auf. Dann rumpelten wir mit dem Fahrtstuhl hoch. 06:30 Uhr.
Wir wurden so liebevoll empfangen. Im Raum brannten Kerzen und ich fühlte mich direkt wohl. Ich bewegte mich wie in Trance. Und mein Mann dekorierte noch das Zimmer mit den von mir gebastelten Dingen, dass ich im Nachhinein echt schmunzeln musste, wie das so verlief.
In der Wanne
Muttermund auf 6 cm. Yeah. Ich wollte sofort in die Wanne. Dort konnte ich super entspannen – bis diese doofen Krämpfe hinzukamen. Bei jeder Welle krampfte irgendeine Körperstelle, meist der Oberschenkel. Mein Kreuzbein schmerzte. Und ich musste pressen. Die Hebamme schaute wieder nach. Muttermund auf 9 cm. 07:30 Uhr. Mein Mann wurde nun Kreuzbein- und Oberschenkel-Masseur. Über die Bluetooth-Box lief Entspannungsmusik in Dauerschleife.
Die zweite Hebamme kam hinzu. Tief im Innern wusste ich, was das jetzt bedeutete. Endspurt. Da es in der Badewanne irgendwann nicht mehr weiterging, hieß es, raus aus der Wanne, andere Positionen probieren. Ich bezeichnete das Ganze als Sportprogramm. ‚Du bist eine Powerfrau‘, wurde ich immer wieder motiviert. Und irgendwann kam dann dieser Moment. Ich lag auf dem Bett. Meine Beine drückte ich in die Armen der Hebammen. Ich presste immer wieder. Dann war unser Baby da. Unser wunderbares Baby. Erst Minuten später schauten wir nach, was wir denn bekommen haben, ein Mädchen oder einen Jungen.
Es gibt Eis.
Ein paar Stunden blieben wir noch im Geburtshaus. Dann setzte ich mich mit Baby ins Auto und mein Mann ging tatsächlich das Eis für uns kaufen. So wie wir zuvor noch gescherzt hatten. Selbst das klappte. Dieses Mal wurde ich mit einer magischen, kraftvollen Geburt beschenkt. Als hätte sich die Welt an diesem Tag für uns gedreht.
Danke, ihr wunderbaren Hebammen für eure Unterstützung und auch den lieben Empfang im Sekretariat.
Olivia