Geburtsberichte von Eltern
Eine überraschende Hausgeburt
Die Geburtswehen begannen drei Tage nach dem errechneten Termin während eines Telefonats mit meiner Schwester. Am Vortag hatten wir einen Termin im Geburtshaus und die Hebamme war sich sicher, dass am gleichen Tag noch nichts passieren würde. Auch am Tag darauf waren wir tagsüber noch spazieren und saßen bis eine Stunde vor Wehenbeginn am Schreibtisch. Während ich abends mit meiner Schwester telefonierte, merkte ich, dass irgendwas anders wurde. Ich spürte Schmerzen im unteren Rücken.
Während ich im Zimmer auf und ab ging, versuchte ich mich selbst am unteren Rücken zu massieren. Als das Telefonat zu Ende war, ging ich zu meiner Frau, die gerade kochte, und sagte ihr, dass ich denke, dass die Geburt bald beginnt und ich Wehen bekommen habe. Wir beschlossen, dass wir die gerade fertig gewordene Lasagne unbedingt zur Stärkung essen sollten. Während dessen kamen immer wieder Wehen, für die ich mich auf den Gymnastikball legte und mich von meiner Frau im unteren Rücken massieren ließ.
Als wir fertig gegessen hatten und die Wehen bereits im Abstand von drei bis fünf Minuten kamen, bat ich meine Frau, bei der diensthabenden Hebamme Tamara anzurufen. Nachdem meine Frau ihr die Situation geschildert hat, wollte Tamara mich selbst sprechen. Anders als ich dachte, war ich doch noch telefonierfähig und tatsächlich waren die Wehen, während ich mit ihr sprach, vielleicht durch die Ablenkung, weniger stark oder ich nahm sie weniger stark wahr. Offensichtlich wirkten wir so entspannt, dass sie das Telefonat damit beendete, dass wir uns wieder melden sollten, wenn wir nicht mehr alleine klar kämen.
Danach räumten wir noch die Küche auf und packten noch fehlende Sachen in die vorbereitete Geburtstasche. Währenddessen mussten wir immer wieder unterbrechen und waren während der Wehen auf dem Gymnastikball und meine Frau massierte mich mit Massageöl am unteren Rücken. Im Laufe des Abends wurden die Wehen immer stärker. Zum Glück erinnerte sich insbesondere meine Frau gut an den Geburtsvorbereitungskurs. Wir tönten gemeinsam und veratmeten die Wehen. Als ich merkte, dass die Position auf dem Pezziball nicht mehr passt, fiel meiner Frau eine Hock-Abstütz-Position am Tischrand ein, sie holte mir unsere Sportmatte und legte sie vor den Tisch. Während der Wehen massierte sie mich weiterhin. Ir1 gendwann dachte wir, wir sollten uns wieder bei Tamara melden, v.a. da ich den Eindruck bekam, dass ich pressen muss.
Nun fragte ich mich, wie wir es angesichts der permanenten Massage durch meine Frau während der Wehen, eigentlich ins Geburtshaus schaffen sollen, obwohl der Weg denkbar kurz wäre. Am Telefon fragte Tamara, wo wir wohnen und sagte, sie käme vorbei. Irgendwann wurde ich doch etwas ungeduldig, wann sie kommt. Doch dann klingelte es schon. Tamara wirkte ganz entspannt, setzte sich auf den Boden und fragte nach Kaffee und Handtüchern. Irgendwann sagte sie, dass die zweite Hebamme Anna-Lena gleich mit dem Hausgeburtskoffer käme und dass wir unseren Sohn hier zur Welt bekommen würden.
Erst jetzt kapierte ich, dass es tatsächlich eine Hausgeburt wird. Normalerweise hätte mich eine solch unvorbereitete Situation gestresst, in diesem Fall war ich aber recht entspannt bzw. zu abgelenkt, um mir größere Gedanken oder Sorgen zu machen. Ich fühlte mich bei meiner Frau und den beiden Hebammen sehr gut aufgehoben.
Tamara und Anna-Lena schienen mit wenigen kurzen Fragen, alles Wesentliche vorzubereiten und die notwendigen Gegenstände in unserer Wohnung schnell zu finden. Unauffällig schauten die Hebammen sich in der Wohnung um und beschlossen dann, nachdem sie das Zimmer vorbereitet hatten, einen Umzug ins Nebenzimmer, in dem ein Gästebett steht. Davor schickte mich Tamara nochmal zur Toilette und sagte, dass der Muttermund geöffnet sei, anscheinend hörte/sah sie das, ohne mich näher untersuchen zu müssen.
Ein Zeitgefühl hatte ich völlig verloren. Eigentlich passierte alles eher intuitiv. Ich konnte mich auf die Situation sehr gut einlassen, mich auf meine drei Geburtsbegleiterinnen völlig verlassen und fühlte mich sehr sicher und gut aufgehoben. Im Nebenzimmer begann die Pressphase. Hier hatte ich zunächst etwas Umstellschwierigkeiten, weil ich zunächst nicht ganz verstand, dass ich jetzt nicht mehr Tönen soll. Wir probierten verschiedene Positionen im Bett und vor dem Bett. Vor dem Bett hatten die beiden die Gymnastikmatte platziert. Tamara massierte mit einem Kaffeegetränkten Waschlappen meinen Damm (sehr angenehm), bei Anna-Lena durfte ich mich während der Wehen einhängen.
Diese Pressphase erlebte ich als sehr anstrengend und echte Arbeit, insbesondere auch für Anna-Lena (ohne dass sie das anmerken ließ). Die Geburt des Köpfchens zog sich. Die Fruchtblase platzte sehr spät. Irgendwann sagte ich, dass ich eigentlich nicht mehr kann. 2 Aber die drei ermutigten mich, versorgten mich mit Traubenzucker und zu trinken. Tamara und Anna-Lena blieben sehr cool, kontrollierten immer wieder die Herztöne, die Gott sei Dank die ganze Zeit sehr gut waren. Irgendwann ließ Anna-Lena mich nach dem Köpfchen fühlen und nach einigen weiteren Wehen ist das Köpfchen geboren und schwups auch das ganze Kind.
Es schrie sofort, aber nur ganz kurz, und als ich es sah, ist es anders als im Geburtsvorbereitungskurs angekündigt, gar nicht blau. Meine Frau legte sich neben mich ins Bett und wir bekamen das Baby zum Kuscheln auf die nackte Haut gelegt. Die Nabelschnur wurde durchgetrennt, als sie aus pulsiert hatte. Auch der erste Still-/Anlegversuch klappte mit der Hebammenkompetenz sehr gut. Die Plazenta wurde ebenfalls ohne weitere Probleme geboren. Schließlich nähte mich Anna-Lena mit Hilfe der Schreibtischlampe meiner Frau auf einem der zahlreichen Aktenordner aus unserem Arbeitszimmer. Danach untersuchte Tamara das Baby.
Alles war gut. Ich hatte allerspätestens jetzt jedes Zeitgefühl verloren. Irgendwann brachte Tamara meine Frau und unser Baby in unser Bett im Schlafzimmer und begleitete anschließend mich zur Toilette und wusch mich etwas, bevor sie mich ins Schlafzimmer brachte, wo meine Frau und ich weiter mit dem Baby kuscheln. Irgendwie war es Tamara und Anna-Lena sogar gelungen geräuschlos auch noch die Wohnung aufzuräumen und sauber zu machen. Nach einigen wenigen Stunden machten die beiden sich auf dem Heimweg. Tamaras Handy klingelte direkt wieder, als sie sie verabschiedeten. Es stand anscheinend schon die nächste Geburt bevor.
Inzwischen war es zwischen vier und fünf Uhr. Die Geburtswehen begannen gegen 20.30h, unser Kind war um 2.10h geboren. Insgesamt hat sich tatsächlich erfüllt, was die Gynäkologin bei der letzten Schwangerschaftsvorsage prognostiziert hat: Eine kurze und unkomplizierte Geburt. Dank Tamara und Anna-Lena sowie meiner Frau war es ein sehr gutes Erlebnis, das mir Vertrauen in mich, meinen Körper und mein Kind geschenkt hat. Ich vermute eigentlich, dass es kaum eine schönere Geburt geben kann.
Jolanda