Geburtsberichte von Eltern
Schneller als gedacht
Wir haben 22 Uhr, 7 Tage nach ET und ich habe 2 Stunden lang alle 5 Minuten Wehen. Ein Druck im Rücken, nicht schmerzhaft, aber kraftvoll. Ich fühle keine Aufregung, sondern ein tiefes Vertrauen in mich und meinen Körper und unglaubliche Vorfreude. Ich rufe die Hebamme an. Habe während des Telefonats eine Wehe, die ich ignorieren kann. Wir vereinbaren, dass ich mich noch einmal hinlege. In dem Moment, in dem ich es mir auf dem Sofa bequem mache, werden die Wehen plötzlich viel kräftiger, sie überrollen mich anfangs richtig.
Ich beginne zu tönen und langsam finde ich in den Rhythmus. J. bedient die Wehentrack-App und ich sage nur noch „Start“ und „Stop“. Ich habe kein Zeitempfinden mehr und kann auch nicht einschätzen, wie lange die Abstände zwischen den Wehen sind. Doch plötzlich habe ich das dringende Bedürfnis loszufahren. Es ist 23 Uhr, zu diesem Zeitpunkt kommen die Wehen alle 2-3 Minuten. J. sagt der Hebamme bescheid, dass wir losfahren.
In den Wehenpausen mache ich mich fertig, Stück für Stück, Wehe für Wehe. Im Auto mache ich es mir auf der Rückbank hinter J. bequem. Mein Tönen wird Wehe für Wehe lauter. Ich kann es nicht kontrollieren, lasse es einfach zu, auch wenn mir J. leid tut, dem ich so die ganze Zeit von hinten ins Ohr „schreie“. Die Nacht ist kalt und neblig. Kurz nachdem wir losgefahren sind, spüre ich eine Veränderung. Ich habe Presswehen. In meinem Kopf „es ist zu kalt, um das Baby hier zu bekommen“, aber der Weg nach Marburg noch weit.
Da ich J. nicht beunruhigen will, sage ich ihm nichts davon. Ich versuche den Drang zu pressen möglichst zu unterdrücken – hangel mich Ort für Ort weiter. Dann fahren wir endlich auf den Parkplatz des Geburtshauses. In der Wehenpause laufen wir zum Fahrstuhl, im Fahrstuhl eine Wehe, Tönen. Die Tür vom Fahrstuhl öffnet sich und das Geburtshaus ist in sanftes Licht getaucht. Wir laufen Richtung Geburtszimmer, wo die Hebamme schon auf uns wartet. Darin eine Kerze und eine Salzkristalllampe. Eine wunderbare Atmosphäre. Ruhig, gemütlich und sicher. Wir sollen uns erstmal einrichten und ankommen.
Ich schicke J. zum Auto, um die Tasche zu holen, gepackt für einen Aufenthalt für mindestens 10 Stunden. Eine Wehe veratme ich noch im Stehen, dann knie ich mich auf eine Matte vor das Bett. Die nächste Wehe kommt, ich muss pressen und diesmal lasse ich es zu. Die Hebamme untersucht mich vorsichtig und behutsam, während ich weiterhin vor dem Bett knie. Mein Muttermund ist vollständig geöffnet, die Herztöne des Babys sind gut. J. kommt mit der Tasche zurück, die unangetastet in die Ecke gestellt wird. Er sitzt vor mir auf dem Bett und reicht mir seine Hände. Meine Fruchtblase platzt und ein Teil der Eihäute kommt heraus.
Der Druck im Rücken wird immer intensiver, der Druck zu pressen ebenfalls. Ich vertraue meinem Körper und lasse ihn bestimmen, folge nur. Die Hebammenschülerin schafft es noch rechtzeitig. Sie sitzt rechts neben mir und massiert mir den Rücken. Links neben mir die Hebamme, die mir gut zuspricht und die Herztöne kontrolliert. Vor mir J., der meine Hände hält und mir dadurch unheimlich viel Kraft schenkt. Ich presse und verspüre langsam ein Brennen. Für einen kurzen Moment erschleicht mich das Gefühl, aussteigen zu wollen.
Die Hebamme fragt mich, ob ich das Köpfchen spüren möchte. Es kostet mich viel Kraft, die Hand nach unten zu nehmen, aber die Neugier ist zu groß. Und dann ertaste ich das Köpfchen, zusammengedrückt und auf dem Weg nach draußen. Plötzlich wird alles, was vorher wie in eine Wolke gehüllt war, so real. Und diese erste Berührung mit meinem Baby gibt mir so viel Kraft. Ich presse weiter, obwohl das Brennen damit immer intensiver wird, der Druck auf mein Becken, das kraftvollste Gefühl, das ich je gespürt habe. Aber ich weiß ich kann es schaffen. Die Hebammen und J. bekräftigen mich genau zum richtigen Zeitpunkt.
Ich vertraue meinem Körper und dann kommt es. Mit einer Wehe der Kopf, zwei weitere und da liegt er unter mir. Ein Gefühl, das ich nicht in Worte fassen kann. Der Moment ist einfach perfekt. Es ist ganz ruhig im Raum, die Zeit scheint still zu stehen. Vor mir liegt er, nach 38 Minuten im Geburtshaus, mein Sohn – K. Es fühlt sich so vertraut an. Ich streiche über ihn. Nehme ihn hoch zu mir, er ist ganz glitschig. Die Hebammen helfen mir hoch und ich lege mich ins Bett. K auf meiner Brust, J. neben uns. Nie war ich glücklicher. Die Hebammen lassen uns allein. Und da liegen wir nun.
Wir als Familie. Die Zeit scheint still zu stehen. Nach einiger Zeit kommen die Hebammen wieder herein, aber das familiäre vertraute Gefühl hält an. Sie helfen bei der Geburt der Plazenta und J. darf die Nabelschnur durchtrennen. Die Hebamme fragt mich, ob sie K. kurz nehmen darf, um ihn zu wiegen. Direkt neben mir. Danach legt sie ihn mir wieder auf die Brust und ich beginne zu stillen. K. und ich finden sofort zueinander und alles funktioniert problemlos.
Nachdem ich untersucht und keine Verletzungen festgestellt wurden, lassen uns die Hebammen wieder allein. Ich bekomme einen Tee, um meinen Kreislauf langsam wieder anzuregen. Nach einiger Zeit hilft mir die Hebammenschülerin dabei mich aufzusetzen, die Hebamme nimmt K., um ihn anzuziehen. Auch ich ziehe mich langsam an und wir machen uns auf den Weg nach Hause. 3 Stunden nachdem wir im Geburtshaus angekommen sind, verlassen wir dieses. Beseelt und voller Glück als Familie.
Die Geburt war anders als ich sie mir vorgestellt habe. Viel viel schneller, ohne Badewanne, Musik und allem was ich vorbereitet hatte. Aber sie war so, wie sie war, perfekt und wunderschön. Die Atmosphäre im Geburtshaus, so ruhig und gemütlich. Die Hebammen, die uns unterstützten, Sicherheit gaben, aber sich auch so im Hintergrund hielten, dass wir nur für uns sein konnten. Ich bin dankbar für diese wunderschöne Geburt. Dieses wunderbare Kind. Meinen Körper. Meine Familie. Meine Hebammen. Ohne die Betreuung und Atmosphäre im Geburtshaus wäre das so vermutlich nicht möglich gewesen. Danke für diese unglaubliche, wunderschöne Erfahrung.
Ann Christine