Geburtsberichte von Eltern

Den eigenen Rhythmus finden

Lieber Lio, dies ist die Geschichte von deiner Geburt. Ich konnte es schon 3 Wochen vor dem Geburtstermin kaum noch erwarten, dich in den Armen zu halten, und habe alles getan, um dich rauszuschmeißen. Aber es war mitten in der Weihnachtszeit, und ich hatte eigentlich noch gar keine Zeit fürs Wochenbett. Ich wollte unbedingt noch Kekse backen, die Wohnung schmücken und über den Weihnachtsmarkt gehen. Ich wusste ja nicht, wann du kommst und ob wir Weihnachten schon zu deine Großeltern fahren können.

An dem Tag vor deinem ET habe ich wieder einmal Frauenmanteltee getrunken, einleitendes Yoga gemacht und ein Heublumenbad genommen. Dadurch sind auch direkt Wehen ausgelöst worden, habe mir aber weiter nichts gedacht weil ich schon seit Wochen mit solchen Vorwehen geplagt wurde. Also beschlossen dein Vater und ich, trotzdem auf den Weihnachtsmarkt zu gehen. Auf dem Weg habe ich schon zu ihm gesagt:”Das ist das letzte was ich noch machen wollte, jetzt kann er kommen”.

Kaum aus dem Auto ausgestiegen wurde mir klar, dass es keine gute Idee gewesen war… die Krämpfe wurden so stark, dass ich kaum noch ein paar Schritte ohne Pause gehen konnte. Doch den (alkoholfreien) Glühwein konnte ich mir so kurz vor dem Ziel nicht entgehen lassen. Wieder zu Hause angekommen, nachdem ich die unendlichen Stufen zu unserer Wohnung hoch gewatschelt war, fingen die Wehen an sich zu verändern. Endlich hatte ich richtige Pausen dazwischen, aber die Wehen selber wurden stärker und stärker. Ich konnte es nicht glauben, alle 1,5 Minuten kamen sie, Schlag auf Schlag, das konnte doch nicht sein, wo ist die Latenzphase?

Aber schließlich blieb kein Zweifel, alles Trommeln auf dem Rücken brachte keine Erleichterung mehr, es war Zeit ins Geburtshaus zu fahren. Kurz nachdem wir im Geburtshaus angekommen waren, bekam ich einen Schock. Der Muttermund war erst 1,5 cm geöffnet, wie konnte das sein?! Wie sollte ich diese intensiven Wehen stundenlang aushalten? Dein Vater wühlte während dessen in den viel zu überfüllten Taschen nach einem Teelicht. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie eine Ecke aus dem Glas rausgebrochen war. “Nichts passiert” versuchte er mich zu beruhigen.

Später fand ich heraus, dass er vor lauter Entspanntheit das Glas in seiner Hand zerquetscht, und sich eine blutende Sympathie- Wunde zugezogen hatte. Begleitet von den Hebammen fand ich langsam in einen Rhythmus, wie in Trance veratmete ich eine Wehe nach der andern. Umgeben von warmem Kerzenschein, klammerte ich mich an den Rand der großen Badewanne, gerne hätte ich ein Bad genommen, aber dafür blieb gar keine Zeit. Nach nur 1,5 Stunden war der Muttermund fast vollständig geöffnet. Unglaubliche Erleichterung machte sich breit. Es gab nur einen kleinen Haken, die Muttermundlippe war durch die schnelle Geburt angeschwollen, und wollte dein Köpfchen nicht durchlassen.

Mit unendlicher Geduld ebneten die Hebammen dir den Weg, und begleiteten mich sicher durch diese anstrengenste Phase der Geburt. Endlich durfte ich dem Bedürfniss, zu pressen, nachgeben. Auch dein Vater konnte endlich mithelfen. Ich hängte mich mit meinem ganzen Gewicht in das Seil, das dein Vater hielt.

Mit gemeinsamer Kraft kam endlich, kurz nach 4 Uhr morgens, dein Köpfchen zum Vorschein, und du purzeltest in diese Welt. Dein Vater, vollkommen überwältigt, konnte den Blick nicht von dir lassen. Doch du warst noch nicht ganz angekommen. Mit der Nabelschnur fest um deinen kleinen Hals gewickelt, und dem anstrengenden Weg hinter dir, musstest du von den Hebammen erst ein bisschen wachgerüttelt werden. Dann aber gab es kein Halten mehr, von nun an wolltest du nur eins, Milch, Milch und nochmal Milch.

Kein Wunder bei deiner Statur, du kamst mit 4,46 kg und ca 57 cm auf die Welt, und wie dein Vater, hattest du auch jetzt schon einen Dickschädel mit ca 38 cm Kopfumfang. Endlich konnte ich dich in meine Arme schließen, und das kleine Wunder betrachten. Jetzt nahm ich auch die gemütliche Atmosphäre war, die uns die ganze Zeit umgeben hatte. Begleitet von leiser Gitarrenmusik, sanftem Kerzenschein, und warmen Farben, wurden wir zu einer kleinen Familie.

Urda