Geburtsberichte von Eltern
Was lange währt wird endlich gut
Unser erstes Kind kam 2021 im Geburtshaus auf die Welt. Es war für mich und uns als Eltern eine wunderbare Erfahrung. Ich fühlte mich von Anfang an in guten Händen. Für mich war klar, dass die Geburt unseres zweiten Kindes, wenn möglich, auch im Geburtshaus stattfinden sollte.
Die Schwangerschaft
Die Schwangerschaft verlief problemlos und der errechnete Termin im August rückte immer näher. Wir waren gut vorbereitet: Die Ausstattung fürs Baby hatten wir aus den Kisten ausgepackt und aus dem Keller geholt, Bodys und Strampler in den Schrank sortiert. Vor allem aber hatten wir einen Betreuungsplan für unser erstes Kind gemacht. Da wir keine Verwandten vor Ort hatten und auch erst ein gutes halbes Jahr am neuen Ort wohnten, hatten wir unsere Eltern und Geschwister für die Zeit rund um den ET quasi im Schichtsystem bei uns einquartiert.
Ab SSW 38 bis eine Woche nach ET, war der Plan abgedeckt und wir fühlten uns gut damit. „Das zweite Kind kommt meistens ein bisschen früher!“ bekam ich ständig zu hören. Doch trotz Übungswehen, schwülen Gewitternächten und wachsender Ungeduld von allen Seiten, ließ unser zweites Baby auf sich warten. Der errechnete Termin verstrich. Ab jetzt musste ich häufiger zur Vorsorge. Freund*innen und Verwandte horchten vorsichtig nach, ob das Baby wohl bald käme. Ich glaube Tamara gab mir die Hausaufgabe, ab jetzt jeden Tag etwas Schönes für mich zu tun. So verbrachte ich einen Morgen im Freibad, aß leckeres Eis und ging mit meinem Mann ins Kino, was wir ewig nicht gemacht hatten. Die Tage verstrichen und mein Nervenkostüm wurde zusehends dünner, der Alltag mit dickem Bauch immer anstrengender. Ich trank wehenfördernden Tee, hatte auch ab und zu Übungswehen, die sich aber nach ein paar Stunden immer wieder einstellten. Mehrere Nächte verbrachte ich allein im Wohnzimmer auf dem Gymnastikball, in der Erwartung, dass es ja jetzt bald losgehen könnte.
11 Tage nach ET bekam ich noch einmal eine geburtsvorbereitende Akupunktur. Andrea gab mir außerdem einen Rizinus-Cocktail mit nach Hause. Und einen Tipp: Quartiert euer Kind aus. Lasst die Großeltern euer älteres Kind abholen und dort für ein, zwei Nächte Urlaub machen. Und vielleicht war das am Ende das Entscheidende: Das Kind muss weg. Als die Großeltern mit ihrem Enkel abgefahren waren, hörte ich endlich auf mich innerlich darum zu kümmern, dass unser großes Kind während der Geburt versorgt wäre. Mein Mann und ich redeten dem Kind im Bauch gut zu und legten unsere Hände auf den Bauch um die Tritte und Stöße des Babys zu spüren.
Der Geburtsbeginn
Der Rizinus-Cocktail und ein entspannter Abend zu zweit trugen dann dazu bei, dass kurz nach Mitternacht die Wehen einsetzten. Diesmal wusste ich irgendwie, dass es wirklich soweit war. Und ich freute mich, dass jetzt bald unser Baby auf die Welt kommen sollte. Meinen Mann ließ ich noch schlafen. Die Wehen wurden kräftiger und regelmäßiger und als sie alle 3-4 Minuten kamen, rief ich Andrea an. Wir hatten eine Dreiviertelstunde Fahrt vor uns, deshalb wollte ich nicht länger warten. Bei unserem ersten Kind hatte die Eröffnungsphase zwar über zwanzig Stunden gedauert, ich hatte aber trotzdem die Stimmen im Ohr, dass das zweite Kind schneller kommt. Auf der Fahrt ins Geburtshaus hörte ich Musik auf Kopfhörern und veratmete auf dem Rücksitz im Vierfüßler die Wehen.
Die Ankunft im Geburtshaus
Die Ankunft im Geburtshaus war ein bisschen wie nach Hause kommen: Andrea hatte schon unsere erste Geburt betreut und wir gingen in den gleichen Geburtsraum. Der Ort in Verbindung mit dem Gefühl der Wehen war mir vertraut und in so guter Erinnerung, dass ich mich gleich sicher fühlte und loslassen konnte. Mit meinem Mann veratmete ich die Wehen mit Lippenbremse. In den Wehenpause saßen wir aneinander gelehnt auf der Matte am Boden. Andrea hatte Kerzen angemacht, es war schön schummrig im Zimmer.
Um 2:30 Uhr waren wir im Geburtshaus angekommen, um 3:20 Uhr stieg ich in die Wanne. Das hatte ich mir gewünscht und darauf hatte ich mich besonders gefreut. Bei meiner ersten Geburt hatte sich in der Wanne der Muttermund gut geöffnet und gleichzeitig war es mir leichter gefallen, mich zu bewegen. Ich genoss die Wärme des Wassers und bewegte mich während der Schmerzen. Angeleitet von Andrea stellte ich mir mein Becken als Schale vor, in dem ich eine Kugel hin und her bewegte. Immer deutlicher konnte ich den Druck des Babykopfes erspüren. Mein Mann versorgte mich mit Wasser und spielte mit dem Handy Musik über eine Bluetoothbox ab. Irgendwann fragte mich Andrea, ob ich mal versuchen wolle, die Fruchtblase aufzupiksen. Ich tastete und konnte die Fruchtblase spüren. Fester, als ich sie mir vorgestellt hatte. Ich schaffte es nicht, die Blasenhaut mit meinem Fingernagel einzuritzen, also pikste Andrea die Blase auf. Inzwischen war es fast halb 7, die Sonne war schon aufgegangen. Ich war schon mehrere Male auf Toilette gewesen und meine Haut war auch schrumpelig. Ich stieg also aus der Wanne, um die restliche Arbeit „an Land“ zu tun.
Ich war froh, dass ich nach der ersten Geburt ein Gefühl dafür hatte, wohin ich pressen musste. Auch außerhalb der Wanne bewegte ich mich weiter. Ich versuchte es auch im Liegen, fand das aber so unangenehm, dass ich mich wieder in den Vierfüßler begab. Ich wechselte zwischen Vierfüßler, Hocke am Bettrand und Stehen am Wannenrand. Neben Andrea waren jetzt auch Melani und eine Hebammenstudentin mit dabei. Sie leiteten mich wunderbar an, tönten mit mir mit, strichen mir über den Rücken und sprachen mir gut zu. Als es besonders schmerzhaft war, jammerte ich laut mit den Wehen. Einmal kam mir noch der Gedanke, dass mein Mann in der Krippe anrufen müsste, um Bescheid zu sagen, dass der Große nicht kommen würde, dafür wurde ich aber von allen anderen zurechtgewiesen, ich hatte jetzt schließlich etwas anderes zu tun. Nach einigen anstrengenden Presswehen mit Kniebeugen am Wannenrand, war der Muttermund vollständig geöffnet. Ich kämpfte gegen meine Erschöpfung und auch gegen die Schmerzen an und wusste, dass es jetzt nicht mehr lange dauern aber dafür noch anstrengender würde.
Ein eindrückliches Gefühl
Nach ein paar weiteren Wehen konnte ich mit der Hand die Oberfläche des Kopfes ertasten und von da an tastete ich immer wieder mit der Hand nach dem Babyköpfchen und ließ meine Hand darauf liegen. Das fühlte sich großartig an und es ist, als hätte sich diese Berührung von Kopf und Hand in meine Handfläche eingebrannt. Noch heute kann ich dieses Gefühl abrufen. Der Kopf arbeitete sich langsam vor, ging auch wieder zurück, schaffte es dann aber ganz heraus und dann ging es wirklich schnell. Zwischen Hocke und Vierfüßler brachte ich um 8:21 Uhr unsere Tochter zur Welt. Fast an der gleichen Stelle, an der auch ihr großer Bruder geboren wurde. Ich begrüßte unser Baby, rieb ihren Rücken mit einem Handtuch ab und freute mich über ihren ersten Schrei. Auch mein Mann kam dazu, wir strichen ihr über den Kopf und wickelten sie in ein Handtuch ein.
Nach der Geburt
Dann nahm ich sie hoch und ging vorsichtig und von den Hebammen gestützt rückwärts zum Bett. Dort legten wir uns zu dritt hin. Zuerst lag unsere Tochter auf meiner Brust und während ich die Plazenta gebar, lag sie auf meinem Mann. Da ich etwas Blut verloren hatte, bekam ich für die Geburt der Plazenta Oxytocin gespritzt.
Unsere Tochter wurde untersucht und bei der Verkündung der Maße musste ich lachen: Ich hatte mit meinen 1,58 m soeben ein 55 Zentimeter großes und 4400 Gramm schweres Baby zur Welt gebracht. Und das ganz ohne Geburtsverletzungen. Nachdem ich unsere Tochter das erste Mal angelegt hatte, etwas gefrühstückt hatte und auf Toilette war, hatte sich mein Kreislauf so stabilisiert, dass wir die Heimfahrt antreten konnten. Unterwegs besorgten wir noch eine große Tüte Brötchen und fielen dann noch vor 12 Uhr erschöpft und glücklich zu Hause ins Wochenbett.
Von Deborah